Monday, September 29, 2008

Endzeit



Ende September. Herbst mit Sonnenschein, und mit täglich irritierenden Nachrichten aus den USA. Eine Bank nach der anderen kollabiert. Und der Wahlkampf läuft.

Ich blättere in Cormac McCarthy, und stoße auf diese Zeilen, geschrieben 2005.

Ich glaub, ich weiß wohin es mit uns geht. Wir werden mit unserem eigenen Geld gekauft. Und es sind nicht bloß die Drogen. Da draußen werden Vermögen angehäuft, von denen kein Mensch ewas weiß. Was glauben wir eigentlich, zu was dieses ganze Geld führen wird? Geld, mit dem man ganze Länder kaufen kann. Das ist ja auch schon passiert. Kann man auch dieses Land damit kaufen? - Ich glaub nicht.

Das Buch, das McCarthy nach Kein Land für alte Männer geschrieben hat, war glaube ich, The Road. Ein Endzeitbuch.

Und noch eine seltsame Parallele. Ein Kommentar aus dem Herr der Ringe Leserbuch.

Ich bin Amerikanerin. Was ich möchte, ist, weiterhin genau das zu tun, was ich die ganze Zeit schon getan habe, so schlecht es auch sein mag, bloß dass ich zunächst einmal hören möchte, das sei schon okay, weil es nicht meine Schuld ist. Ich muss also jemand finden, dem ich die Schuld dafür geben kann.

Wobei das natürlich gleichermaßen für den Rest der Welt gibt. Es ist immer die einfachste Lösung, den schwarzen Peter an die USA weiterzureichen.

Saturday, September 27, 2008

Die nie endende Geschichte



Wer hätte das erwartet: ich bin im Auenland hängengeblieben. Nach dem Herrn der Ringe auf deutsch lese ich nun den Hobbit, im Original. Mit rotem Drachen auf dem Cover. Mit herausfallenden Seiten. Und mit diesem wunderbaren tolkienschen Vorwort, das mich darauf aufmerksam macht, dass auch das Original nur eine Annäherung an die Sprache von Mittelerde ist.

This is a story of long ago. At that time the languages and letters were quiet different from ours of today. English is used to represent the languages.

Und dann, der erste Satz, den ich schon aus der Biografie kannte.

In a hole in the ground there lived a hobbit.

Parallel dazu blättere ich in Tolkiens Zauber. Ein Buch mit Essays und Erinnerungen von Fantasy-Autoren. Fast jeder erzählt, wann er Tolkien zum ersten Mal gelesen hat, und wie es dazu kam. Ein weiterer roter Faden: der Einfluss, den Tolkien auf das danach geschriebene hatte. Wie Terri Windling.

Das College bedeutete für mich, dass ich den dunklen Wald verließ und an einen helleren Ort gelangte. Es war ein Leben, das die Eigenschaften hatte, die Tolkien fom Ende eines Märchens verlangte: Den Trost der Freude, und das, was er als "wunderbare Gnade" bezeichnete. Obwohl ich dieses hellere Land sehr liebte, gibt es doch Zeiten, da ich mich in den Wald, in die Dunkelheit zurückbegebe, zum es war einmal der nie endenden Geschichte.

Und dann war noch - Rilke. Auch bei ihm blieb ich hängen. Und lese, immer wieder, dieses eine Gedicht.

Oft fühl ich in scheuen Schaudern
wie tief ich im Leben bin.
Die Worte sind nur die Mauern.
Dahinter in immer blauern

Bergen schimmert ihr Sinn.

~

Wednesday, September 24, 2008

In gar keinem Land



Mark Twain heist eigentlich Samuel Langhorne Clemens. Seinen Namen hat er von seiner Zeit als Schiffslotse: Markiere zwei Faden. Mark Twain. Und hier, noch mehr über ihn:

Mark Twain wußte wahrlich, was ein Hinterwäldler ist. Er kannte die hoffununglose Verlorenheit der amerikanischen Provinz, weil er ihr entkommen war.

All das steht in deinem kleinen Band, der so wunderbar handlich zu einem Saunabesuch passt. 85 Seiten, davon 38 ein Nachwort namens "In gar keinem Land" - die Antwort des Amerikaners auf die Frage eines Ausländers, in welchem Land er hier denn gelandet sei.

"What country?"
"Why, dern it all, you ain't in any country."


Als ich die beiden Sätze lese, denke ich wieder daran, dass es besser wäre, alle Bücher im Original zu lesen, statt in einer Übersetzung.

Wie zum Beispiel American Youth. Von Phil LaMarche. Ein Buch, das mit einem Cormac McCarthy Zitat beginnt, das sich eingräbt. Um so mehr, als ich erst letztes Jahr The Road gelesen habe.

Scars have the strangest power to remind us that our past is real.

American Youth könnte vielleicht der heutige Twain sein. Seine Geschichte spielt genau dort, in gar keinem Land. In einem Provinznest, in dem das neue und das alte Amerika aufeinandertreffen.

It's hard to watch the langscape of your childhood disappear, and I think that the personal experience of that loss is what might sway my opinions concerning the two different cultures. I could be like the American Youth gang and become resentful and tehn do my best to justify and bolster that feeling, but where would that get me?

Auch diese Passage, aus dem Nachwort, das eigentlich ein Interview ist, und "A conversation with Phil LaMarche" heißt.

Friday, September 19, 2008

Einfach Kunst



September. Der Herbst kommt übers Wochenende. Während ich Spaghetti esse, gehe ich mit Andreas Meier ins Römermuseum. Erst hätte ich den Artikel fast überblättert. Dann bleibe ich hängen. Und folge dem Rausch der Geschichte.

Ich gehe weiter und komme zu den Germanen. Dort betrete ich eine Fläche, auf der Kuhsilhouetten aufgezeichnet sind. Drum herum schwarze Punkte. Da man von der Schlängelrampe aus immer wieder auf bereits besuchte Ausstellungsstationen herabblicken kann, hat man viel Gelegenheit zu fragen. Was sollen eingentlich die Kuhsilhoueten da, warum sieht man schwarze Punkte auf dem Bodem? Und so weiter.
Das sei ihnen gar nicht aufgefallen, sagen die Besucher.
Unwillkürlich muss ich an Per Anhalter durch die Galaxis denken. Dort gibt es das songenannte PAL-Feld. Um einen Gegenstand unsichtbar zu machen, wird ein "Problem anderer Leute"-Feld um ihn errichtet.


Vielleicht liegt es auch an der Launigkeit des Artikels, dass ich dann einige Tage später selbst ein Museum besuche: in der Villa Merkel läuft eine neue Aussstellungm "Arbeiten mit der Sammlung Rolf Ricke". Neugierig gehe ich durch den Park, der mit verrosteten Skulpturen schon auf die Begegnung mit der Kunst vorbereitet.

Innen warten fast leere Räume, pointiert bevölkert von Kunstwerken ohne Titel. Einfarbige Leinwände in Falten. Gesplitterte Glasscheiben. Schwarze Flächen mit Loch. Alles, bis auf eine Zeile im Faltblatt, ohne Erläuterung.

"Ich will zeigen," sagt Rolf Ricke, "dass Kunst eigentlich ganz einfach ist. Sie ist ablesbar. Worum es sich auch handelt- man kann ganz genau sehen, wie etwas gemacht ist, und das schätze ich an der Kunst."

Mein Horoskop nimmt es mit Humor. "This would be a good time to see an art exhibit that challenges your preconceived views about what is beautiful," sagt es einen Tag später. "Probably this will be entertaining rather than unsettling, and you will experience something new."

Kunst und die Aufgabe und Leistung des Künstlers. Auf das Thema treffe ich dann an einem ganz anderen Ort noch einmal: auf dem Buchumschlag von Patrick Süskinds Roman "Die Taube".

Nicht nur riecht, schmeckt man, sieht und hört man, was Süskind beschreibt; er ist ein Künstler, auch wenn es darum geht, verschwundenes, verarmtes Leben in großer innerer Dramatik darzustellen.


Mit den Horoskopzeilen im Hinterkopf nehme ich dann einen zweiten Anlauf. Online. In den gesammelten Google Bildern von Rolf Ricke. "Die Sammlung spiegelt..", steht unter einem Bild. "Einfach Kunst" unter einem anderen.

Und da ist es wieder: das Loch in der Leinwand, das die Gedanken anstößt.

Thursday, September 11, 2008

Wo anfangen?



In der Zeit, in zeitlosem schwarz-weiß, Gedanken zu Menschen und Dingen, die aus Amerika kommen. Da ist zum einen der neue E-Book-Reader von Amazon. Der möglicherweise die Buchwelt revolutionieren wird. Oder auch nicht.

Noch gar nicht abzusehen, in welche Himmel und Hölle und das führen wird, aber man kann auf dem Kasten lesen. Ein Segen für die, die sowieso nie zu Hause sind. Flexible Bücher für flexible Menschen. Aber auch das Ende unserer überreichen Buchkultur? Oder nur eine willkommene Verbesserung und Ergänzung?

Daneben, ein Wehmutsartikel über amerikanische Glamourgirls, die es so hier nicht gibt: Joan Didion und Susan Sontag. Das es sie in dem abgebildeten Alter so in Amerika im Moment auch nicht gibt, fiel irgendwo aus den Zeilen.

Und dann war noch.. Margaret Atwood. Die in die Haut von Penelope schlüpft, der Frau von Odysseus. Und dabei augenzwinkernd über Anfänge und Prinzessinnen nachdenkt.

Where shall I begin? There are only 2 choices: at the beginning or not at the beginning. The real beginning would be the beginninge of the world, after which one thing has led to another, but since there are differences of opinion about that, I'll begin with my own birth.
My father was King Icarius of Sparta. My mother was a Naiad. Daughters of Naiads were a dime a dozen in those days; the place was crawling with them. Nevertheless, it never hurts to be of semi-divine birth. Or it never hurts immediately.


Die geheime Geschichte der Penelope, die dem Glamour um Odysseus und seinen Reisen zu Opfer fiel. In handlicher Taschenbuchform.

Aber reizen würde mich der e-Kasten ja schon. Mit Glamour oder ohne.

Sunday, September 07, 2008

Hinter den Wetterbergen



Auszeit in den Bergen von Frankreich. Geplant mit früheren Booker-Price Gewinnern: Kiran Desai, "The Inheritance of Loss". Und John Banville, "The Sea", in der Hoffnung, dass das gute Wetter so lange hält, dass wir auch ans Meer kommen.

Doch dann dreht der Wetterbericht, und ungeplant öffne ich daheim, keinen halben Tag vor der Abfahrt, Tolkiens Herr der Ringe. Der schon mit in Mallorca war, vor Jahren, und dennoch bisher ungelesen im Regal steht.

Diesmal könnte er nicht besser passen, dort in den Bergen, zwischen alten Ruinen, und in Schluchten, die auch aus Gondor stammen könnten. Und der, wie auch die Auszeit, keine tiefere Bedeutung hat. Jedenfalls keine geplante.

Was die tiefere Bedeutung oder 'Botschaft' des Buches angeht, so hat es nach Absicht des Autors keine. Es ist weder allegorisch, noch hat es irgendeinen aktuellen Bezug. Das wichtigste Motiv war der Wunsch des Erzählers, sich an einer wirklich langen Geschichte zu versuchen, die die Aufmerksamkeit des Lesers wach halten, ihn belustigen und erfreuen und ihn vielleicht auch manchmal erregen oder tiefer berühren könnte.

Erst auf dem Heimweg fällt mir auf, das ich mit Tolkien nicht nur in den Trollhöhen, sonder auch bei T angelangt bin.