Monday, October 20, 2008

Über Leben



Oktober = Buchwochenzeit. Diesmal mit einem neuem Sonderheft. Zeit Literatur. 102 Seiten voller belletristischer Neuerscheinungen "über Liebe und Hunde, Krieg und Frauen, Mord und Überleben". Passend zum Überleben, Gedanken zu Darwin. Und passend dazu, eine einzige kurze Kurzgeschichte. Und eine Gedichtreihe mit Fotos. 7 DichterInnen mit Kurzporträt und Gedicht-Foto auf 8 Seiten.

Die Überraschung folgte diese Woche: "Was macht eigentlich Daniel Kehlmann?" fragt das Zeit Magazin. Und gibt die Antwort darauf in einer Kurzgeschichte und einem Porträt, in dem es - ebenso wie in der Kurzgeschichte - um das Thema Ruhm und Porträts geht.

Daniel Kelhmann sagte während unsere ersten Begegnung im Kreuzberger Restaurant Grünfisch, dass Ruhm nur dann erträglich sei, wenn er, wie Misserfolg, mit Gleichmut behandelt werde. Vielleicht ist dies das heimliche Zentrum seines neuen Buches.

Und passend dazu, 2 Fragen aus der Kurzgeschichte:

86) Halten Sie es auch manchmal für möglich, dass Sie selbst ein Platzhalter sind, ganz wie jene Platzhalter, die Sie sich aus der Not schaffen, um es dann Kunst zu nennen?
87) Ist Kunst immer eine solche Platzhalterschaft, oder gibt es auch eine substanziell andere?

Und bin es nur ich, oder lacht die Eule in dem Bild?

Sunday, October 12, 2008

Zindelfingen



Oktober. Die Welt, im Schatten der Finanzkrise, die wie ein Beben wirkt, besonders hier, in der für sicher gehaltenen Welt Mitteleuropas. Vielleicht zieht es mich auch dadurch zu Büchern und Geschichten aus Osteuropa - aus einer Region, die aus der Krise kommt.

Aleksander Hemon, ihn kannte ich schon aus der Sammlung "Der Andere Nebenan", die ich im März gelesen habe. Jetzt kam eine Kurzgeschichte von ihm im New Yorker. "The Noble Truth of Suffering." Die Geschichte spielt in Bosnien. Und dreht sich um das Leben. Und das Schreiben.

When he was young, like me, he sid, he had though that all the great writers knew someting he didn't. He'd thought that if he read their books he would learn something, get beter: He'd thought that he would acquire what those writers had: the wisdom, the truth, the wholeness, the real shit. He had been burning to write, hungry for that knowledge. But now he knew that that hunger was vainglorious; now he knew that writers knew nothing, really - most of them were just faking it. He knew nothing. There was nothing to know, nothing on the other side. There was no walker, no path, just walking. This was it, whoever you were, wherever you were, whatever it was, and you had to make peace with that fact.

Marina Lewycka kannte ich vorher nicht. Es war das Cover, das mich am Buch hängenbleiben ließ. Und der kleine Pinguin. Und dann, der Titel: A Short History of Tractors in Ukrainian. So heißt der Roman, und so heißt auch ein Buch im Roman selbst, der von der Generation danach erzählt. Von zwei Schwestern, deren Eltern aus der Ukraine kamen. Am Ende des Buches, eine Karte.

"This is our journey. Ukraina to England." He traces the line backwards. "Same journey, other direction." His voise is laboured, croaky. "Look, here in south near Stuttgart is Zindelfingen. Ludmilla was working in Daimler-Benz assembly. Nineteen forty-three."

Und dann, eine Seite weiter, eine Passage, die fast wie eine Reflektion der Hemon-Passage wirkt.

When I was young, I wanted my father to be a hero. I was ashamed of his graveyard desertion, his flight to Germany. I wanted my mother to be a romantic heroine. I wanted their story to be one of bravery and love. Now as an adult I see that they were not heroic. They've survived, that's all.

Die noble Wahrheit des Leidens.

Ist Leben.