Thursday, January 31, 2008

Sogenannt



Heute ist schwarz-weiß. Kaum Licht von Draußen, der Himmel grau verwaschen. Ich schlage das neue Fables auf. 1001 schneeweiße Nächte. Sie beginnen mit einer kurzen Einleitung von Bill Willingham, für alle, die neu in dieser Fabelwelt sind. Also eigentlich - für niemand.

Fables handelt von den heutigen Abenteuern einer Gruppe von Personen, die ihr gut kennt. Schneeweißchen? Der mutige Prinz? Der große böse Wolf? Sie wurden vor langer Zeit aus ihren magischen Heimatländern vetrieben. Allein oder in Grüppchen haben die Vertriebenen den Weg hierher, in unsere eigene, ziemlich unmagische Welt gefunden. Sie haben im Untergrund in einer stillen Ecke von New York eine geheime Kolonie errichtet. Sie bleiben in ihrer kleinen Welt, behalten ihre Geheimnisse für sich, zanken, streiten, lieben sich, werden reich oder scheitern und leben ihr Leben im Allgemeinen ganz wie wir. Aber sie warten auch auf den rechten Zeitpunkt in der nahen oder fernen Zukunft, da sie ihre verlorene Heimat zurückerobern können.
In der Zwischenzeit heiße ich euch willkommen. Es war einmal eine Welt, die ihr längst kennt. Wir haben euch dort sehr vermisst.


Das erste Buch aus der Fables-Reihe habe ich gelesen - letztes Jahr. Im September. Farm der Menschen, hieß der Post. Und führte von Neuroforschern über den physischen Ursprung des Mitgefühls zur Bewusstseinsbildung. Zur Erkenntnis, dass wir so sind, wie wir sind, weil wir in dieser Zeit, an diesem Ort leben - es hätte alles auch anders kommen können.

Faserland erzählt davon. Von einer anderen Welt. Direkt hier, in Deutschland. Sichtbar gemacht von Christian Kracht auf einer Reise von Nord nach Süd, von Sylt nach Zürich.

Also, es fängt damit an, daß ich bei Fisch-Gosch in List auf Sylt stehe und ein Jever aus der Flasche trinke. Fisch-Gosch, das ist eine Fischbude, die deswegen so berühmt ist, weil sie die nördlichste Fischbude Deutschlands ist. Am oberen Zipfel von Sylt steht sie, direkt am Meer, und man denkt, da käme jetzt eine Grenze, aber in Wirklichkeit ist da bloß eine Fischbude.


Das Seltsame an der Erzählung ist, dass sie dann selbst so weitergeht - man denkt, da kommt jetzt noch etwas anderes, ein Blick nach Innen, oder von Oben, aber den Gefallen tut sie nicht.

Zurück gekommen bin ich immer wieder zum Vorwort, ein Zitat von Samuel Beckett.

Vielleicht hat es so begonnen. Du denkst, du ruhst einfach aus, weil man dann besser handeln kann, wenn es soweit ist, aber ohne jeden Grund, und schon findest du dich machtlos, überhaupt je wieder etwas tun zu können. Spielt keine Rolle, wie es passiert ist.

Und auch das blieb hängen: der Umschlagstext, der erklärt, dass dies eine Erzählung vom Ende einer Welt ist, - einer Welt, die der Mainstream noch nicht einmal bemerkt hatte, als sie schon vorbei war. Oder genauer gesagt: der sogenannte Mainstream. Was für ein kleines, nettes, subversives Wort. Sogenannt.

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Friday, January 11, 2008

Warten



Januar. Ich sehne mich nach Frühling, nach der Rückkehr der Farben. War Winter schon immer so lang und frostig? Gut, dass man das alles bis zum Mai vergisst, und sich im Herbst dann wieder auf Schnee freut.

Auf dem Sofa liegt Audrey Niffenegger. Das Buch hatte ich für Kreta gekauft, hatte es auch mit, aber nicht gelesen. Jetzt ist die richtige Zeit für die Frau des Zeitreisenden, für Niffeneggers fiktionale Zeilen zum Leben und zum Lauf der Zeit.

Ich habe viel darüber nachgedacht, wie wir uns erinnern. In der Erinnerung trifft ja vieles aufeinander, was ursprünglich zeitlich nicht zusammenhing. Wir werden alle von Erinnerungen, der Vergangenheit und unseren Genen bestimmt. Aber in der Gegenwart gibt es so etwas wie unseren freien Willen. Auch wenn er nicht für alle Zukunft gilt.

Das ewige Gedankenspiel: was wäre, wenn man sich auch durch die Zeit bewegen könnte? Würde ich meine Zukunft wissen wollen? Und wie wäre das Leben dann, mit diesem Wissen.

Einige Seiten später dann, wie so oft, die Neugier nach der Person hinter der Geschichte. Schön, dass es ein Interview online gibt. Überraschend, was Niffenegger darin sagt.

Wie ihre Romanfiguren verweigert Niffenegger sich dem Mainstream. Sie lebt ohne Fernseher, mit zwei Katzen, zwei Skeletten und ein paar anderen Biestern. Ihre Liebe zu toten Dingen ist nicht morbide, sondern Ausdruck überbordender Lebenslust.
"Man sollte in dem Bewusstsein leben, dass man sterben muss", erklärt Audrey Niffenegger, "es gibt dem Leben Tiefe, sonst erschienen die Dinge ein wenig inkonsequent. Wenn ich früher Geschichten gezeichnet oder geschrieben habe, musste ich immer alle Figuren umbringen. Vorher war die Geschichte nicht beendet. Inzwischen habe ich gelernt, diesen Impuls zu bändigen."


Und noch eine Zeile, die hängenblieb:

"Damit etwas Punk ist", so die Autorin, "muss es etwas zu tun haben mit Energie und Ehrlichkeit. Die zentrale Idee von Punk lautet: Mach es selbst und glaube keine Lügen, die man dir erzählt."

Noch 43 Seiten Zeitreise.
Noch 20 Tage Januar.

Warten, fällt mir da ein. Warten - das ist auch etwas Schönes.

Saturday, January 05, 2008

Anne Dillard

and this morning started a bit different already, too – instead of checking world news, i browsed blogs. there was a new post in my topography, with these lines in it:

“A weekend trip south, to Blue Poppy's, to spend time with wonderful Lizardek and her lovely mom, and Elizabeth and her T. Ambling walks in the sunshine with a crowd of golden pups. Every moment filled up with wonder and delight and gratitude: these women come from my planet. Some days I feel entirely alien to the orbit of people I'm surrounded with at work. People who aren't apt to contemplate karma, or Annie Dillard, or gel matte transfers, or the way light falls on a row of golden gourds on a vintage chest of drawers. But these women, they are brilliant, insightful, generous, and beautiful. They make my heart sing.“ (link)

coming from the same planet. it's a funny way to put it, but it's true. and the post took me further – it made me take a look at Annie Dillard's writing. this is a bit of her biography:

“After a near-fatal bout of pneumonia in 1971, Dillard decided that she needed to experience life more fully and began work on Pilgrim at Tinker Creek. She spent four seasons living near Tinker Creek, a suburban area surrounded by forests, creeks, mountains, and myriad animal life. When she wasn't in the library, she spent her time outdoors, walking and camping. After living there for about a year, Dillard began to write about her experiences near the creek. She started by transposing notes from her twenty-plus-volume reading journal. It took her eight months to turn the notecards into the book. Towards the end of the eight months, she was so absorbed that she sometimes wrote for fifteen hours a day, cut off from society without interest in current events (like the Watergate scandal). The finished book brought her a Pulitzer Prize in 1975 at the age of twenty-nine.”