Friday, May 09, 2008

Berlin, New York



Mai. Und es ist Sommer. Sonne, Barfußlaufen, Schattenbücher lesen. In neuen Seiten dort weiterreisen, wo die letzten aufgehört haben. Mit Monika Maron, zurück nach Berlin. Zu einem Ort, an dem ich war, und an dem ich so nicht war: dem Reichstag. Von Christo verkleidet.

Am Sonntag wurde im Radio gemeldet, in den frühen Morgenstunden hätten Scharen nächtlicher Besucher die Absperrung zur Westfassade durchbrochen, was die Ordnungskräfte das Schlimmste befürchten ließ. Dabei hatte diesen Sturm auf den Reichstag nur unbezähmnbare Neugier entfacht.
Sie wollten es anfassen, sagte einer der Ordnungshüter. Der Drang, es anzufassen, wie Kinder ein Tier oder etwas Unbekanntes betasten und befühlen wollen, überkommt offenbar jeden, mich auch.
Die gute Laune, die das Ding verbreitet, entspringt dem reinen Übermut. Jemand ist einer fixen Idee vierundzwanzig Jahre treu geblieben, um uns am Ende diese schöne und glitzernde Sinnlosigkeit auf die Wiese zu stellen. Wenn das möglich ist, muß noch mehr möglich sein.

Vierundzwanzig Jahre eine Idee. Das lässt mich an Einstein denken, der neben seiner berühmten Relativitätstheorie der Zeit und der Masse noch eine andere Gleichung zur Zeit aufstellte. Ich bin nicht intelligenter als andere, hat er einmal gesagt. Ich bleibe nur länger bei einem Problem.

Zwischengedanke: Vielleicht schaue ich beim nächsten Büchereibesuch nach Einstein? Auch wenn nach O wie Orwell und Oz und Orsenna nun als nächstes eigentlich P dran ist. Doch das hat schon beim letzten Besuch nicht so ganz funktioniert - auf dem Weg zu P wie Plan blieb erst noch bei N wie Nothomb und M wie Melville hängen, um dann auf Sylviy Plath zu stoßen, die mich direkt mitnahm, nach New York.

Es war ein verrückter, schwüler Sommer, dieser Sommer, in dem die Rosenbergs auf den elektrischen Stuhl kamen und ich nicht wußte, was ich in New York sollte.
Ich wusste, etwas stimmte in diesem Sommer nicht mit mir.

Parallel dazu, Gedichtzeilen von ihr, aus einer neuen Biografie. Die sich - Überraschung - erst einmal mit dem Sichten und Einordnen der bestehenden Plath-Biografien befasst. Und sich auf diesem Hintegrund dann der Frage widmet, welche Teile ihres Schreibens ihr Leben spiegeln, und welche "nur" Fiktion sind. Und der Frage, was mit den Lücken ist - den Auslassungen, den verschwundenen Zeilen und Büchern.

Dann, zwischen der Reflektion, plötzlich Plath selbst, in Worten.

Ich bin bewohnt von einem Schrei
Nachts flattert er aus
Und sieht sich, mit seinen Haken, um nach etwas zum Lieben.

Mich verschreckt dieses dunkle Ding,
Das in mir schläft.

Vielleicht war beides Teil von ihr. Und beides Fiktion. Je nachdem, ob es Tag oder Nacht war. Ob das dunkle Ding verhüllt war, oder sich zeigte.

Dann fällt mir Christo wieder ein: das Verhüllen als Weg, auf etwas Aufmerksam zu machen. Etwas in seiner zweiten Form zu zeigen. Für eine bestimmte Zeit. Für einen Sommer. Für einen Tag.

~~~

No comments: