Thursday, March 29, 2007

Reisen in die Nacht



Ich gestehe. Ich habe die letzte Ausgabe der Zeit weder wegen der Energiekrise noch wegen den Nachrichten aus der Wissenschaft gekauft. Sondern wegen dem kleinen gelben kreisförmigen Objekt, das auf der Mitte der Beilage hing. Und in Wirklichkeit zu dieser Zeit halbkreisförmig war, und sich schon mitten am Nachmittag zeigte. Und wesentlich größer als die Zeitbeilage ist. Dem Mond. Und die Reisen in die Nacht, die er begleitet.

Was ist nun das Besondere an Reisen in die Nacht? Man sieht nicht, was auf einen zukommt. Das Vertraute wird fremd. Über das Fremde wiederum rollt sich die schwarze Leinwand, auf der wir etwas Vertrautes sehen: unsere eigenen Gespenster. Diese Unheimlichkeit ist, was Reisen aufregend macht. In der Nacht sind wir alle Touristen.

Diese Unheimlichkeit der Nacht, sie zieht sich auch durch den Vertigo-Band von Neil Gaiman. Sandman, heißt der, und als zweiter, deutscher Titel: Ewige Nächte. Der Band beginnt mit einer zweiseitigen Einleitung, die für sich schon eine Geschichte ist, alles und nichts erklärt, und so wunderbare Minigeschichten wie diese aus Turin umkreist:

Gestern wurde ich in einem Hotel in Turin gefragt, ob ich die Geschichte des Sandman in fünfundzwanzig oder weniger Worten zusammenfassen könnte. Ich überlegte einen Moment.
"Der Herr der Träume lernt, dass man sterben muss, wenn man sich nicht ändert, und trifft eine Entscheidung."

Das ganze wird im Sandman dann noch besser. Dies hier ist, in etwas mehr als fünfundzwanzig Worten, meine bisherige Lieblingsszene:

"Ich sollte dich warnen. Bekommen, was man will, und glücklich sein sind zwei ganz unterschiedliche Dinge."
"Das weiss ich - gibst du mir nun, was ich will?"
"Natürlich nicht. "
"Was gibst du mir dann?"
"Ein Lächeln, und ich kürze dir den Weg ab. "
"Und was willst du dafür?"
"Alles. Was sonst könnte man wollen?"

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Und dann ist noch - Paul Celan. Dessen Biografie - wie die von Simone de Beauvoir, von Rose Ausländer - gleichzeitig eine Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts ist. Schmerzhaft, grausam, weit weg und dennoch sehr nah. Und eine Überraschung mit sich bringt. Celan und Ausländer. Sie stammen beide aus dem gleichen Ort. Czernowitz, in der Bukowina, die neben dem Burgenland liegt. Oder bessergesagt: lag. Nichts ist mehr so, wie es war.

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