Sunday, April 08, 2007

Carmina Universa



Das Universum ist tonlos, tonlos wie die Zeit an sich. Das ist, was ich in der Schule lernte. Auch all die Science-Fiction-Filme, die lautstark interstellare Phaser-Kämpfe in Zeitlupe auf Großleinwand zelebrierten, konnten mich da nicht in die Irre führen.

Das Universum ist still, still wie die Steine, wie die Kiesel am Weg, wie die Atome und Elektrone, aus denen alles sich zusammengefügt. Denke ich. Blättere durch die raschelnden Papierseiten der Zeit. Und lande bei einer neuen Welttheorie. Die in Oberfrequenzen tönt.

Die sogenannte Stringtheorie. Wenn sie stimmt, dann hängt buchstäblich der Himmel voller Geigen. Das Universum besteht demnach aus nichts als winzigen schwingenden Saiten - eben Strings. Je nachdem, mit welcher Oberfrequenz ein String vibriert, wird er zu dieser oder jener Teilchensorte.

Obertöne, echot es in meinen Gedanken, während meine kleinen grauen Zellen bei der Vorstellung eines String-Universums anfangen, sich um ihre eigene Achse zu drehen. Die Stringtheorie hat noch eine zweite sympathische Eigenschaft: sie lässt sich mit den Mitteln, die der Menschheit momentan zur Verfügung stehen, nicht beweisen. Die Strings sind zu winzig, um sie in Laborgeräten auszuloten.

Zwei Tage später sitze ich auf den Kieselsteinplatten im Garten, und lese in dem Buch, dass ich aus der Bücherei mitgenommen habe, des Titels wegen: Ernesto Cardenal. Wortseelen -Waldmenschen. Band 6 aus seinem poetischen Werk. Ich blättere zufällige Seiten auf, und lande zwei Mal an der gleichen Stelle, bei einem Gedicht der Araukaner aus Chile.

Ich muss wieder beten wie früher,
Wie früher muss ich die Stimme erheben.
Zum Blauen König werde ich beten.
Zur Blauen Königin werde ich beten.
Wie der Gesang des Vogels rupkadiuka sei mein Gesang.
Ich lebe, und ohne Furcht ist mein Herz.
Keine Leere ist geblieben.
Mein Herz wird singen.

Gedichte, nicht geschrieben von Cardenal, sondern gesammelt von ihm auf den Kontinenten der Welt. Die Erklärung dazu, im Vorwort, das Worte und Bedeutungen auf mir unbekannte Wurzeln zurückführt: das lateinische Wort carmen (Gesang) kommt vom sanskritischen Wort karma (rituelle Handlung), skizziert es.

Karma. Carmen.

Und dann - J.M. Coetzee. Keine Wissenschaft, sondern ein Roman. Schande, heißt er auf deutsch. Im Original: disgrace. Keine Poesie, vom Titel her. Doch die Hauptfigur: ein Professor für Romantische Lyrik an der Technischen Universität von Cape Town. Der sich als Dozent für Kommunkation wiederfindet, und nebenbei ein wenig Lyrik lehren darf.

This year he is offering a course in the Romatic poets. For the rest he teaches Communications 101, 'Communication Skills', and Communications 201, 'Advanced Communication Skills'.
Although he devotes hours of each day to his new discipline, he finds its first premise, as enunciated in the Communications 101 handbook, preposterous: 'Human soeciety has created language in order that we may communicate our thoughts, feelings and intentions to each other.' His own opinion, which he does not air, is that the origins of speech lie in song, and the origins of song in the need to fill out with sound the overlarge and rather empty human soul.


Human souls.
Wort seelen.
String universen.

Strike a chord....

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