Saturday, April 21, 2007

Im unterwegs sein bleiben



Was hatten Sie sich für diesen Urlaub hauptsächlich vorgenommen?, fragt wissbegierig das kleine Buch, das mir von der Thomas-Cook-Kundenabteilung zugeschickt wurde. Es ist Teil einer Studie, für die ich per Zufallsprinzip ausgewählt wurde. Als kleines Dankeschön gibt es zu dem kleinen blauen Buch ein Voucher für zehn Kilo Freigepäck. Pro Person. Damit erledigt sich einer der Vorsätze für diesen Urlaub bereits vor dem Abflug: weniger mitnehmen.

Stattdessen stocke ich meinen Bücherstapel kräftig auf. Zu Adolf Muschg und Haruki Murakami, die beide schon seit Weihnachten warten, gesellt sich nun Zadie Smith von Amazon. Und Fjodor Dostojewski aus der Bücherei. Dazu, ein Buch das es noch gar nicht gibt, aber genau für die Zeit auf Mallorca passt: eine philosophische Reise von Peter. Und dann, um auch die letzten freien Kilos mit Inhalt zu füllen, ein Zen-Buch von Inge. Auch blau.

Hiermit beantwortet sich auch die Cook-Frage nach dem Ziel dieses Urlaubs: unterwegs sein. An einem anderen Ort, unter einem anderen Himmel, in Gedanken, am Strand. Diese Antwort ist – genauso wie der Vorsatz, weniger mitzunehmen - leider nicht vorgesehen. Dafür finden sich im ersten Kapitel der philosophischen Reise weitere gedankenvolle mögliche Antworten.

In der Fremde findet sich das Eigene, und ineins damit blitzt die vage Hoffnung auf, das eigene Leben könne sich runden. Eine Hoffnung, mehr nicht, doch mehr soll es auch nicht sein, darf es nicht sein, mehr wäre weniger, denn nur die Hoffnung treibt, nicht aber die Gewissheit. – Wie war das doch, Reisen als Nahrung für die Seele?

Zu meiner Überraschung beginnt auch das Muschg-Buch mit einer Reise. Die zuerst einmal nach Lausanne führt, und bei der es Vordergründig um Musik geht, aber zum gleichen Teil auch um das Suchen und Finden.

Plötzlich fiel Leuchter auf die Knie und begann, erst unter seiner, dann unter Sumis Bank nach etwas zu suchen, als gelte es sein Leben. Als er sich aufrichtete, hatte er Tränen in den Augen. Verloren, sagte er.
Hier ist etwas, sagte sie. Sie hielt ihm ein kleines, würfelförmiges Paket hin, das in Seidenpapier gewickelt war.
Wo hast du das her?
Es ist dir gerade herausgefallen, sagte sie.
Warum hast du das nicht gleich gesagt?
Du musstest erst mit Suchen fertig sein.

Die Reise nach Lausanne, sie führt wiederum zu einer anderen Reise, später, und weiter, bis zu einem Tempel in Kyoto. Zu dem, ganz wortwörtlich, ein Philosophenweg führt.

Der Philosophenweg war menschenleer, der Wald knisterte und tropfte. Bambuswedel bogen sich unter der Nässe, von der Dachrinne lief Waser über geschmiedete Ketten oder Stränge kupferner Glöcklein.
Wenn du dem Buddha begegnest, töte den Buddha, sagte Ayu.
Wer sagt das? fragt Leuchter.
Zen. Davon verstehen Sie sicher mehr als ich.
Ich verstehe gar nichts.
Dann haben Sie es nicht mehr weit zur Erleuchtung.

Auch das blaue Zen-Buch führt mich zu einer Episode nach Japan. Zu einem Meister des Bogenschießens und zu seinem Schüler. Und zur Frage, worum es sowohl beim Bogen und dem Pfeil, als auch allen anderen Zielen geht.

Denn worauf kommt es denn an? Doch nicht aufs Treffen! Beim Bogenschießen, sowenig wie beim Erlernen irgendeiner anderen Kunst, geht es letzten Endes nicht um das, was herauskommt, sondern um das, was herein kommt! Herein, das heißt, in den Menschen herein. Das Üben im Dienst an einer äußeren Leistung dient über sie hinaus dem Werden des inneren Menschen. Und was gefährdet dies innere Werden des Menschen vor allem? Das Stehenbleiben im Gewordenen! Im Zunehmen bleiben muß der Mensch, im Zunehmen bleiben ohne Ende!

Im Zunehmen bleiben. Im unterwegs sein bleiben. Um in der Fremde das Eigene zu finden, jenseits des Suchens.

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