Monday, February 05, 2007

Das Unsichtbare sichtbar machen



Isabel Coixet. Das geheime Leben der Worte. Neunter Januar. Koki.

Natürlich konnte ich da nicht wiederstehen. Ein Film über Worte, über das geheime Leben, das sie führen. Inge kam mit. Anne wäre auch mitgekommen, aber war schon, und schrieb mir daher schon vorab eine Zeile zum Film. "Stellenweise sehr traurig, aber dafür auch sehr gut. Wir machen uns immer noch Gedanken darüber."

Der Film stellt in klaren Bildern in einer rauen Umgebung die Frage, ob jeder Mensch für sich eine Insel ist. Dass Beobachtung menschlicher Schutzmechanismen vor emotionaler Schwäche unter die Haut geht, liegt in großem Maße an der unprätentiösen Leistung der Darsteller und der angenehmen Distanziertheit der Kamera von Jean-Claude Larrieu, der die Personen in den Fokus rückt, ohne in ihr Innerstes dringen zu wollen.

Unter die Haut gehen. Und Gedanken machen. Das macht der Film. Bei mir nicht so sehr während dem Sehen, sondern danach. Ich diskutierte im Kopf mit dem Film, mit der Regisseurin, mit dem Schluss, mit der Hauptfigur. Die ihren Namen im Film nicht sagen will. Die 2 Stimmen hat. Hanna. Oder hat sie nur 1 Stimme, und die andere Stimme gehört ihrer Freundin? Wie verändert sich die Stimme eines Menschen durch Gewalt?

Der Film, er lässt einen genauer hinhören. Genauer hinsehen. Und lässt einen mit anderen über Dinge reden, die dort auf der Leinwand sichtbar wurden.

"So ging es mir auch mit diesem Film," stellte Anne-Katrin fest. "Danach hat es gearbeitet und arbeitet immer noch in mir. Wie das wohl ist auf so einer Bohrinsel? Welche Menschen da wohl arbeiten, in echt? Und wer war die Stimme? Von dem her finde ich alle Filme gut, die mich zum Nachdenken bringen. Egal in welche Richtung."

Der Film, er ist immer noch präsent, auch 3 Wochen später. Eine Zitat von Paul Klee, abgedruckt in einem Kunstkatalog, genügt, um ihn aus dem Gedächtnis zu rufen.

Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.

Das macht gute Kunst aus. Nicht: schön zu sein. Sondern: zu bewegen. Etwas sehen zu lassen, was wir so noch nicht gesehen haben. Uns die Welt etwas besser verstehen zu lassen.

Das kommt nicht von mir, sondern von Paul Auster, aus seinem Roman „Moon Palace“:

The true purpose of art was not to create beautiful objects, he discovered. It was a method of understanding, a way of penetrating the world and finding one’s place in it.

Dann, 3 Tage später, ein Spaziergang in der Zeit. Genauer gesagt: das Aufräumen einiger Seiten aus der Zeit vom 11. Mai 2006. Ich blättere die Zeitung noch einmal durch, und finde dabei einen Artikel über Caspar David Friedrich, geschrieben von Ulrich Greiner. Und mit dem Artikel findet sich der Grund, warum diese Seiten noch hier sind. Weil sie genau jetzt hierher gehören:

Überhaupt kann man kann bei Friedrich eine Divergenz erkennen, die große Künstler nicht selten auszeichnet: dass ihre Gestaltungsfähigkeit hinter dem gewaltigen Schub ihrer Suche, ihrer Botschaft, ihrer Totalidee zuweilen zurückbleibt, so als ob die gültige Form nicht gefunden wäre; vielleicht, weil es sie nicht gibt. Diese Lücke bezeichnet den utopischen Überschuss. Bei anderen Künstlern hingegen - es sind die vom Publikum verehrten Virtuosen - ist das Gestaltungsvermögen größer als das Dargestellte.
Wahr ist leider, dass der heutige Kunstbetrieb, der alles goutiert, sofern es nur gefällt, dies Ursprungsidee weithin vergessen hat. Aber wenn uns die Kunst dort lässt, wo wir eh schon sind, dann brauchen wir sie nicht.


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