Tuesday, August 01, 2006

Ithaka



Gedankenreisen an einem Sonntagmorgen in Köngen. Dort, zwischen Büchern, ist es nur ein Schritt von Homers Odyssee, deren Ziel eine Insel namens Ithaka ist, und damit die Heimat, zu Kubricks Odyssee, deren Ziel - und das fällt mir jetzt erst im Nachhinein auf - sich am dazu gegengesetzten Pol befindet, in der unendlichen Ferne, jenseits der Erde, jenseits des Alls.

Wo waren wir? Oder bessergefragt: Wohin gehen wir?
Auch dazu, zwei Antworten: Immer nach Hause. Oder, etwas geometrischer gesehen: Das Wohin ist unwesentlich. Die Erde ist rund.

Was offensichtlich einer der auslösenden Faktoren für Weltreisen ist: dieser Gedanke, dass sich, auch wenn man sich immer weiter in eine bestimmte Richtung bewegt, und sogar: besonders wenn man dies tut, aus der Bewegung entlang einer Linie im wirklichen Raum eine Kreisbewegung entsteht. Und daraus dann, früher oder später, Bücher mit dem Titel „In 80 Tagen um die Welt“ oder, etwas neuzeitlicher: „87 Tage blau – Logbuch einer Erdumrundung“:

1. Tag
Auslaufen Rotterdam
Ich habe mir ein Schiff gefunden, dessen Reeder glaubhaft versichert, es werde so lange gen Westen fahren, bis es aus dem Osten wiederkommt. Und dieses Schiff wird mich mitnehmen, für drei Monate. Als sogenannten S.N., als supernumerary. Der Überzählige bin ich, der Überflüssige, der unnütze Passagier. Ich darf fast alles, muss fast nichts und werde infolgedessen nur bedingt ernst genommen. Das ist in Ordnung. Ich will ja nur einmal, einmal herum kommen um diese Erde, einmal ans Ende gelangen. Dabei mich herausfallen lassen aus der Zeit und sehen, ob mich etwas auffängt.

- Peter Schanz

Dieses Gefühl, sich aus der Zeit herausfallen zu lassen. Es begegnet mir am gleichen Tag an unerwarteter Stelle wieder: in Liebesleben, dem eigensinnigen Buch von Zeruya Shalev. Dort entscheidet sich eine Frau dafür, nicht auf die Reise zu gehen, und kommt dadurch genau zu diesem Punkt.

Woran dachte er, dieser Mann allein im Café über dem Friedhof, was ging in seinem Kopf vor, wofür lebte er eigentlich, was hatte er von seinem Leben, was hatten alle von ihrem Leben, das schien mir ein immer größeres Geheimnis zu sein. Was hatte mich gehalten, bevor ich ihn traf, plötzlich wußte ich das nicht mehr, die Tage kamen mir im nachhinein leer und langweilig vor, wie unbeschriebene Blätter, von denen eines aussah wie das andere, noch viel beängstigender als meine Tage jetzt, vielleicht ging es mir nicht darum, ihn zu bekommen, sondern ihn loszuwerden, ihn und durch ihn auch mich, uns alle, nicht, daß mir klar gewesen wäre, wen ich damit meinte, aber ich hatte angefangen, im Plural zu denken, als wäre ich dann nicht mehr so allein mit meinem überflüssigen Auftrag, sondern die autorisierte Vertreterin einer ständig wachsenden Anzahl von Personen, eine Vertreterin, die ihr Leben im Bett des Verdächtigen aufs Spiel setzte, um Wissen zu sammeln, das Licht auf etwas werfen konnte, von dem ich nicht wußte, was es war, aber wenn man es das Geheimnis des Lebens nannte, mußte das nicht falsch sein.

Und parallel zum Zeilen schreiben, gerade Marc Cohn, Would you walk through this world with me. Ohne die Frage, wohin.

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