Saturday, January 07, 2006

grüne Notizen, blaue Grenzen



2006. Ein Jahr, das winterweiß anfängt. Und im Koki grün vom Dezember in den Januar gleitet. Mit einer großen Reise. Von Ismael Ferroukhi. Von Frankreich über Italien nach Slowakei, Kroatien. Dort, in Leinwandgröße, das Straßenschild nach Ljubljanja. War ich auch schon mal, vor 2 Ewigkeiten, in einem Sommer vor dem Krieg, denke ich. In meiner Erinnerung tauchen kurz die Plitwitzer Seen auf, und der alte schwarze Fiesta von damals.

Dann fahren Vater und Sohn im Peugeot auf der Leinwand weiter nach Serbien und Bulgarien. Bleiben dort erst im Schnee, dann an der Grenze hängen. Und kommen doch durch die Türkei und Jordanien nach Saudi-Arabien. Nach Mekka. Erst kurz vor dem Ziel dann, die Frage des Sohns: "Warum müssen wir eigentlich nach Mekka fahren? Warum fliegst du nicht, wie die anderen?" - Die Antwort des Vaters:

"Es ist besser, seine Reise zu Fuß als mit dem Pferd zu machen,
besser mit dem Pferd als mit dem Auto,
besser mit dem Auto als dem Schiff
und besser mit dem Schiff als mit dem Flugzeug."

Später, nach dem Ende des Films, dann die unbewusste Ergänzung des Satzes. Es ist besser, solche Filme im Kino anzuschauen als im Fernsehen. Die Weite der Bilder, die sich Zeit lassen, hätten zwischen den Kanälen, in der Flut der schnellen Schnitte und Programme kaum eine Chance, den Zuschauer so lange zu halten, bis sie ihren Zauber entfalten. Und dabei ist es umso passender, dass auch das Koki zwischen 2 Kanälen liegt: dem Wehrneckarkanal und dem Rossneckarkanal. Die aus dem Koki eine Insel machen, auf der sich vor allem die kleinen Filme finden, für welche die großen Kinos keine Zeit finden.

Ein Jahr später, ein paar Tage später, der Gedanke in einem Buch, dessen Umschlag ebenfalls grün ist, und etwas abgegriffen. Hermann Hesse. Kleine Freuden.

"Leider aber hat sich diese Hast des modernen Lebens längst auch unserer Art zu genießen bemächtigt. 'Möglichst viel und schnell' ist die Losung. Daraus folgt immer mehr Vergnügen und immer weniger Freude. So wenig als andere weiß ich ein Universalrezept gegen diese Mißstände. Ich möchte nur ein altes, leider ganz unmodernes Privatmittel in Erinnerung bringen: Mäßiger Genuss ist doppelter Genuss. Und: Überseht doch die kleinen Freuden nicht!"

Das grüne Buch, es ist 1977 gedruckt, in der Zeit vor den Privatsendern. Doch der Text, er ist weit älter. 1899 steht dort, unter der letzten Zeile.

Einen Tag später verbinden sich das grün des Buches und das grün des Kokiprogramms zu einem Gedanken. Jeden Monat ein Film. Wenn es sich ergibt. Der für Januar ergibt sich ohne Suchen: Die blaue Grenze. Blau wie blueprint, blau wie touch the blue.

„Das Leben, der Tod, die Liebe und die Einsamkeit sind die großen Themen, derer sich Regisseur Till Franzen in seinem Kinodebüt „Die blaue Grenze" in aller Bescheidenheit annimmt. Das Ergebnis ist ein poetischer, stimmungsvoller und mystischer Film - ganz und gar nicht verplappert, sondern in sich ein Geheimnis bewahrend."

Auch die Mitsegler finden sich, leicht wie bei der großen Reise. Und auf dem Weg zieht das Bild der blauen Grenze bereits seine Kreise: ich verschicke das Filmbild, und zurück kommt eine Zeile, die hängen bleibt:

"Habe keine Angst, etwas zu verpassen."

Mit dem Stift, der silberweiß schreibt, male ich die sechs Worte auf ein Kalenderblatt. Hoffentlich fällt es nicht so schnell.

~~

No comments: